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Fachtagung „Spurwechsel"


Lebensentwürfe von Familien und Jugendlichen sind vielfältig und oft von großem Autonomiestreben geprägt. Diese widersprechen oft paternalistischen Vorstellungen der Kinder- und Jugendhilfe. Die Fachtagung „Spurwechsel – Neue Wege in der stationären Kinder- und Jugendhilfe", zu der Jugend am Werk Steiermark am Donnerstag, 25. April 2024, in den Steiermarkhof (Ekkehard-Hauer-Straße 33, 8052 Graz) geladen hat, begab sich zusammen mit renommierten Expert*innen aus dem In- und Ausland, Behördenvertreter*innen und rund 250 Besucher*innen auf Suche nach neuen Wegen in der stationären Kinder- und Jugendhilfe. Tenor der Fachleute: die stationäre Kinder- und Jugendhilfe braucht den Spurwechsel und mehr Flexibilität.

Gemeinsam sollen mit den Erkenntnissen der Fachtagung neue Spuren gelegt werden, die dem gesellschaftlichen Wandel Rechnung tragen und den Herausforderungen der stationären Kinder- und Jugendhilfe gerecht werden.

Die Besucher*innen bekamen spannende Fachvorträge und eine Podiumsdiskussion von Expert*innen geboten. Durchs Programm führten in gemeinsamer Moderation Andreas Pepper (Jugend am Werk Steiermark) und Christian Hölbling (Autor und Kabarettist).

Weitere Informationen finden Sie in unserem Pressebereich

Podiumsdiskussion „Quo vadis Kinder- und Jugendhilfe – Perspektiven und Chancen“
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Themen der Tagung
 

„... und was wäre wenn es um das Erleben und die Stimme der Kinder ginge? Perspektiven einer nicht-paternalistischen Kinder- und Jugendhilfe."
Dr. in Ulla Peters


Der Vortrag beschäftigt sich kritisch mit der Frage, wo paternalistische Elemente in der Kinder- und Jugendhilfe zu finden sind. Paternalismus kann als Eingriff verstanden werden, Freiheiten von Akteur*innen mit guter Absicht zu deren Wohlergehen einzuschränken (Ziegler 2021). So werden pauschale Annahmen darüber, dass Kinder nicht beurteilen könnten, was wichtig für sie sei und was ihnen gut tue und deshalb die Erwachsenen zu ihrem Wohl entscheiden, als Aspekt eines paternalistischen Kinderschutzes angesehen. Dieser verfolge edle Ziele, berge aber ein großes Potenzial Kinderrechte zu verletzen (Wolff 2022).

Wie könnte Partizipation aussehen, wenn die Stimmen der Kinder hörbar und ihr Erleben zum Ausgang von Partizipation gemacht wird? Liebel (2019) spricht davon „aus der Schweigespirale auszubrechen“ und postuliert Möglichkeiten der Selbstvertretung von Kindern und Jugendlichen. Wie könnten Gespräche mit Kindern über belastende Ereignisse so geführt werden, dass sie bedeutsam werden für das, was an Hilfe entwickelt wird?

Die Kinder- und Jugendhilfe hat hieran in den letzten Jahren viel gearbeitet, wie z. B. an Formen der Beschwerde, an institutioneller Machtkritik im Kontext von sexualisierter und anderer Formen von Gewalt, an neuen Beteiligungsformaten von Kindern- und Jugendlichen in den Institutionen.

Zur Person
Dr. in Ulla Peters arbeitete von 2003 bis zu ihrer Pensionierung im April 2021 als Professorin für Soziologie an der Universität Luxemburg. Seit 2007 beschäftigt sie sich intensiver mit der Kinder- und Jugendhilfe in Luxemburg und hat in diesem Kontext die sicherheitsorientierte Praxis (SOP) als Arbeitsmodell eingeführt und weiterentwickelt.

In den letzten vier Jahren hat sie verschiedene Träger und das nationale Jugendamt Luxemburgs (ONE) in der Implementierung innovativer Arbeitsmodelle und von SOP beraten und begleitet und ein Fortbildungs- und Coachingprogramm für SOP entwickelt. Sie koordiniert seit der Gründung des trägerübergreifenden Netzwerkes TransNet SOP 2019 die Leitungsgruppe SOP LEAD des Netzwerks. Gleichzeitig hat sie die internationale Verankerung der Arbeit vorangetrieben.

Video zum Vortrag
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„JuMeGA -Junge Menschen in nicht professionell vorgebildeten Gastfamilien begleiten"
Werner Nuber und Andreas Vögele


JuMeGa® arbeitet in einem offenen Feld, die Entwicklungswege der zugeordneten jungen Menschen sind nicht vorhersehbar, die Ressourcen der Gastfamilien müssen geweckt und gepflegt werden. JuMeGa® ist ein kreatives, auf den jeweiligen jungen Menschen zugeschnittenes Angebot und kann greifen, wenn sonstige Jugendhilfeangebote versagen.

Grundsätze der JuMeGa®-Arbeit werden vorgestellt:

  • das Anknüpfen am gesunden Kern der jungen Menschen,
  • die partnerschaftliche, wertschätzende Begleitung und prozesshafte Qualifizierung der Gastfamilien,
  • das Arbeiten im Netzwerk,
  • das Abrücken von pädagogisch/therapeutischen Prinzipien zu Gunsten der Notwendigkeiten des Alltags,
  • das Einlassen auf Prozesse mit offenem und überraschendem Verlauf,
  • das „zur-Stelle-sein“, wenn es der Fall erfordert.

Zu den Personen
Werner Nuber ist stellvertretender Geschäftsführer und Bereichsleiter der Jugendhilfe der Arkade e. V. Ravensburg.

Andreas Vögele ist pädagogischer Mitarbeiter der Arkade e. V. JuMeGa® Ulm und Koordinator des Anbieterverbundes JuMeGa®.

Video zum Vortrag
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„(Un)Mögliche Lösungen für belastende Fallsituationen“
Dr. Mathias Schwabe


Kinder und Jugendliche bringen individuelle, familiäre und soziale Belastungen mit in das Jugendhilfesystem. Nicht immer gelingt es uns, mit diesen so umzugehen, dass dabei Entwicklungsimpulse entstehen oder zumindest Entlastungsmöglichkeiten gefunden werden können. Es sind vor allem fünf Faktoren, die aus einem belasteten Kind/Jugendlichen einen „schwierigen“ Fall machen und am Ende gar einen/eine sog. „Systemsprenger*in“.

Diese fünf Faktoren bestehen in der

  1. Strukturqualität unserer Einrichtungen (deren Ausstattung),
  2. in der Weite bzw. Enge unseres Fallverstehens,
  3. in den Interaktionen vor Ort mit den Pädagog*innen und anderen Betreuten,
  4. in dem Setting, das als passend oder unpassend erlebt werden kann
  5. und der Kooperationsqualität, d.h. der Frage, wie gut wir mit anderen in die Fallsituation Verwickelten zusammenarbeiten (Schule, Polizei, Psychiatrie).

Jeder dieser fünf Faktoren stellt schon in sich einen komplexen Player dar. Darüber hinaus können sie auch noch günstig oder ungünstig zusammenspielen. Herr Prof. Dr. Schwabe wird diese fünf Faktoren anhand von Beispielen erläutern und zeigen, welche negativen, aber auch welche positiven Potentiale in ihnen stecken.

Zur Person
Prof. Dr. Mathias Schwabe ist Professor für Soziale Arbeit an der Evangelischen Hochschule Berlin, Systemischer Berater sowie Supervisor und Denkzeit-Trainer. Seine Schwerpunkte in Lehre und Forschung sind

  • methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit
  • Jugendhilfe, insbesondere „Hilfen zur Erziehung“ und Hilfeplanung
  • professioneller Umgang mit Gewalt in Einrichtungen der Jugendhilfe
  • Fallverstehen und Settinggestaltung für sog. „schwierige“ Jugendliche
  • Begutachtung in Fällen von Freiheitsentziehenden Maßnahmen (nach § 1631b BGB in Verbindung mit § 321 FamFG) und bei (mutmaßlichen) Verstößen gegen Leitlinien pädagogischer Fachlichkeit in Einrichtungen der Erziehungshilfen
Video vom Vortrag
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