Eine neue (Gesprächs)Kultur

 

 

 

Unterstützung beim Ankommen. Die Elterngruppe der Flexiblen Hilfen in der Kinder- und Jugendhilfe bietet Madina (27) und Hossein (34) Noori einen geschützten Raum für ihre Fragen und Anliegen. Die sozialraumübergreifende Leistung bietet Austausch und Beratung für Familien mit Migrations- oder Fluchthintergrund in Graz.

Videochats gehören seit Beginn der Corona-Pandemie zu unserem neuen Alltag. So auch für Madina und Hossein Noori. „Ich heiße Hossein und lebe seit fünf Jahren in Österreich“, sagt Hossein und blickt in die Kamera des Smartphones. „Mein Name ist Madina, wir haben drei Kinder und kommen aus Afghanistan“, ergänzt Madina. Für die Vorstellrunde brauchen die beiden keine Dolmetscherin mehr.

Austausch und Unterstützung

Für Familie Noori sind der offene Asylantrag, die Arbeitslosigkeit und das Zurechtfinden in der neuen Heimat große Herausforderungen. Den Austausch in der Elterngruppe beschreiben Madina und Hossein als große Unterstützung, damit dadurch keine Konflikte innerhalb der Familie oder zusätzliche Belastungen in der Beziehung zu den Kindern entstehen.

 

Miteinander im Dialog

Die Elterngruppe entwickelte sich während den großen Fluchtbewegungen im Jahr 2015, in Kooperation mit dem Grazer Amt für Kinder, Jugend und Familie. Ursprünglich gedacht als Angebot für syrische oder afghanische Familien mit Fluchterfahrung im Grazer Sozialraum 3 (die Bezirke Straßgang, Wetzelsdorf, Gries und Puntigam), verändert sich die Gruppe stets und passt sich an die Bedürfnisse der Teilnehmenden an. Als sogenannte fallunspezifische Arbeit setzt das Projekt im direkten Lebensumfeld der Menschen an, unabhängig von klassischen Einzelfallhilfen.

„Aktuell bieten wir zwei Gruppen in den Sprachen Farsi-Dari und Arabisch an“, sagt Aylin Kozak, Begleiterin von Jugend am Werk. Die Kulturdolmetscherin Khatera Faiz begleitet das Projekt von Beginn an. Für viele Eltern ist sie mittlerweile eine wichtige Vertrauensperson.

Virtuelle Nähe

Aufgrund der Corona-Pandemie findet die wöchentliche Elterngruppe nun per Videochat statt. Den Zugang beschreibt Aylin Kozak als sehr niederschwellig: „Jitsi, die Applikation, die wir verwenden, ist leicht zu bedienen und benötigt geringe technische Ressourcen. Der Link kann an Interessierte weitergeschickt werden.“ Jeden Dienstagnachmittag treffen sich derzeit bis zu 30 Teilnehmende im virtuellen Raum. „Natürlich fehlt der physische Kontakt“, sagt Kozak, weist jedoch zugleich auf positive Aspekte hin: „Seit sich die Elterngruppe virtuell trifft, steigt die Anzahl der aktiv teilnehmenden Väter. Eltern mit kleineren Kindern fällt es so ebenfalls leichter, teilzunehmen.“ Wer möchte, kann sogar anonym bleiben.

Austausch mit Mehrwert

„Unser Themenangebot reicht von Beratung in der Schwangerschaft, Fragen zu Kindesentwicklung und Pubertät bis zu gesetzlichen Bestimmungen oder aktuell pandemiespezifischen Informationen“, so Kozak. Oft gehe es darum, den Teilnehmenden die Angst vor den Behörden zu nehmen. Bei Fragen zu Sexualität oder Gewalt in der Familie gäbe es eine eigene Frauen- sowie eine Männergruppe. „Ich habe viel über Kinder-, Frauen- und Familienrechte gelernt“, sagt Hossein Noori, der bereits vor den virtuellen Treffen regelmäßig an der Elterngruppe teilgenommen hat. Zusätzlich nahm er auch das Angebot einer speziellen Männerberatung in Anspruch.

Geschützter Raum

Madina Noori erzählt, dass sie sich anfangs nicht getraut hatte, über familiäre Probleme zu reden. „Ich hatte stets Angst, man würde uns die Kinder abnehmen“, sagt sie. „Wir versuchen zu informieren, laden Sozialarbeitende ein und stellen Fallbeispiele vor“, sagt Aylin Kozak. So fasste auch Madina Noori Vertrauen, nun kann sie in diesem geschützten Raum ganz offen über alles sprechen. Auch über ihren größten Wunsch: „Ein gutes Leben und eine bessere Zukunft für unsere Kinder.“